WADANS WELT – Von der Würde der Arbeit

ab 18. Mai im Kino im Filmbüro

Nach 18 Monaten Drehzeit und 120 Stunden Material ist der Kampf um die Wismarer Wadan – Werft nun auch auf der großen Leinwand zu sehen. Das Kino im Filmbüro in Wismar präsentiert die berührende Dokumentation WADANS WELT von Dieter Schumann.

Der Film begleitet die Arbeiter, die Eigner und den Insolvenzverwalter beim Ringen um den Erhalt der Werft, eine Zeit, in denen die persönlichen Erschütterungen einer für viele abstrakt gebliebenen Krise erlebbar werden….. 


WADANS WELT – Von der Würde der Arbeit

Wismar, 120 km östlich von Hamburg, 45.000 Einwohner, das Einkommen jeder dritten Familie hängt von der Wadan Werft, dem einzigen Großbetrieb in der Region ab. Im August 2008 übernimmt ein russischer Investor den Traditionsbetrieb, die Zukunft der Werft scheint gesichert. Kurz danach trifft die Finanz- und Wirtschaftskrise, irgendwo im fernen Amerika begonnen, die alte Hansestadt mitten ins Herz, 5.000 Arbeitsplätze sind bedroht. Der Film geht dem nach, was diese Krise hinterlässt.

Dieter Schumann begleitet eine Gruppe von Schweißern durch die turbulenten Monate und der Zuschauer erfährt ganz unmittelbar, dass der Verlust des Arbeitsplatzes viel mehr bedeutet als Einkommensverlust. „Zum Schiffbauer musst man geboren sein“, sagt einer der Protagonisten und trifft das, was in der Region seit Jahrzehnten gilt: Schiffbauer ist ein stolzer Beruf, der oft über Generationen weiter gegeben wird, er hat mit Würde und Qualität zu tun und prägt die Identität der ganzen Küstenregion. Der Verlust trifft das Wertgefüge, teilt Menschen in scheinbar Überlegene und Verlierer, in Menschen mit Arbeit und in Menschen ohne Arbeit.

Die Wadan-Werft geht unter und wird mit neuem Besitzer und Namen wieder aufgemacht. Einige der Protagonisten kommen zurück in ihren Betrieb, allerdings zu deutlich schlechteren Bedingungen. Der Regisseur war bei der letzten Schicht vor der Insolvenz dabei und bei der ersten nach dem Neubeginn.

Dokumentarfilm, D 2010, Regie: Dieter Schumann, Buch: Dieter Schumann und Jochen Wisotzki, Kamera: u.a. Rainer Maria Schulz und Bernhard Kübel, Ton: u.a. Arne Papenhagen und Rainer Maria Viltz, Schnitt: Gudrun Steinbrück, Produzenten: Christian Beetz (Gebrüder Beetz Filmproduktion), Dieter Schumann (Basthorster Filmmanufaktur), 95 Min., www.realfictionfilme.de

Gefördert durch Wirtschaftliche Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern, Bundesbeauftragter für Kultur und Medien, Deutscher Filmförderfonds, Hamburger Filmförderung

 

Festivalteilnahmen

52. Nordische Filmtage Lübeck 2010

DOK Leipzig, Deutscher Wettbewerb 2010

Hot Docs Canadian International Documentary Festival 2011– Toronto, Kanada

Dokumentarfilmwoche Hamburg 2011

Filmkunstfest Schwerin 2011

FiSH – Festival im StadtHafen Rostock 2011

 

Spielplan Kino im Filmbüro:

Mittwoch 18.05. um 19:30 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs
Donnerstag 19.05. um 19:30 Uhr
Freitag 20.05. um 19:30 Uhr
Sonntag 22.05. um 17.00 Uhr
Im Anschluß, 20 Uhr, DDR ahoi!  – Helden der See (Eintritt frei)
Montag 23.05. um 19:30 Uhr
Dienstag 24.05. um 19:30 Uhr
Freitag 27.05. um 19:30 Uhr
Samstag 28.05. um 19:30 Uhr

 

Einlaß 18:30 Uhr, ein reichhaltiges Getränkeangebot, heiß und kalt sowie Knabbereien stehen für Sie bereit. Der Eintritt beträgt 6 €.

 

Der Regisseur zur Entstehung des Films

15. Oktober 2008, Wadan-Werft Wismar. Ich stehe im Pausenraum der Truppe des Vorarbeiters Christian Schröder. An abgewetzten Resopal-Tischen sitzen  35 Schweißer  vor mir. Die meisten haben 25 und mehr Jahre Schiffbau auf dem Buckel. Vor ihnen liegen Bild-Zeitungen, die das Horror-Szenario der jüngst ausgebrochenen Bankenkrise ausmalen.  Die Bude riecht nach Schweiß, Abgasen und Kaffee. Mir ist gerade das seit 3 Jahren vorbereitete Konzept meines Films geplatzt, das da meinte, den Bau der weltgrößten Fähre  zu verfolgen und so einen Einblick in die faszinierende Welt des Schiffbaus des 21. Jahrhunderts zu geben.

Jetzt, zwei Monate nach Übernahme der Werft durch den russischen Oligarchen Burlakow, steht die Werft kurz vor dem Aus. Die Finanzierung etlicher sicher geglaubter Aufträge ist geplatzt. Die Arbeiter verstehen die Welt nicht mehr. Eine der modernsten Werften Europas steht kurz vor der Insolvenz, weil irgendwo in Amerika Banker sich verzockt haben. Die Bundeskanzlerin hat gerade die Spareinlagen für sicher erklärt, doch die Schweißer diskutieren, ob nicht wie 1929 die Weltwirtschaft zusammenbricht.  In dieser Situation trage ich den Schweißern mein Anliegen vor, gemeinsam mit ihnen die kommenden Ereignisse auf der Werft zu dokumentieren, quasi die Krise aus der Sicht ihrer Truppe von unten zu verfolgen, egal wie es ausgeht. Die Arbeiter spüren wohl meine Aufregung. Ich verspreche ihnen einen ehrlichen Film. Nach kurzer, heftiger Debatte stimmen sie zu. Der dicke Krischan wird zum Filmverantwortlichen gemacht. Am nächsten Morgen gehen wir mit ihm um 05.30 Uhr zur ersten Schicht, in einen Betrieb, der in den nächsten 6 Monaten langsam sterben und dann plötzlich wieder auferstehen wird. 

120 Stunden Material sind in 18 Monaten zusammen gekommen. Was wir erlebt und erfahren haben, ist nicht nur die Geschichte der realen Krise aus der Sicht von unten. Im Spiegel der Ereignisse offenbarten sich andere, ganz wesentliche Dinge. Schiffbau ist eine langwierige, träge Industrie. Sie setzt Erfahrung und Tradition voraus und mehr als vielleicht in anderen Branchen bedarf sie aufgrund des  komplexen Produktionsprozesses  eines eingespielten, sich selbst regulierenden Teams. Qualität und Termintreue erwirkt man hier nicht durch Druck sondern eher durch angemessene Bezahlung und Identifikation mit dem Beruf und dem Betrieb. Viele unserer Protagonisten sind Schiffbauer in zweiter  oder dritter Generation. Berufsstolz und Qualitätsanspruch werden so von den Vätern an die Söhne weiter gegeben. Das hat sich auch nach der Wende und trotz mehrfachen Besitzerwechsels erstaunlicherweise erhalten. Christian Schröder bringt es im Film auf den Punkt: „Eigentlich ist mir egal, wem der Laden gehört. Ich bin verantwortlich für die Schweißerei auf der Dockkante und ich will hier morgens um Sechs zur Schicht kommen.“ Und später: „Termine sind ein Gesetz, solange ich auf der Werft bin, haben wir noch nie einen Stapellauf oder eine Auslieferung verschoben.“ Selbst, wenn diese in die Kamera gesprochene Äußerung nicht ganz der Historie standhielte, beweist sie doch eines:  Fernab jeglichen Aktienbesitzes betrachtet hier ein Arbeiter den Betrieb als den seinen und formuliert ein selbstbewusstes Credo seines Berufes. Vor 30 Jahren im Osten hätte man solche Leute zu Helden erklärt, heute wird ernsthaft darüber nachgedacht, ob und wie man sie durch Zeit- oder Leiharbeiter ersetzen kann. Welch ein Irrtum, welch ein Wahnsinn!

Während der Filmarbeit haben wir den Schiffbau als eine faszinierende Welt mit gigantischer, stählerner Kulisse erlebt,  mit Menschen, die immer noch einem Knochenjob nachgehen, darauf  stolz sind  und  Großartiges leisten. Mag sein, dass all das im Weltenlauf irgendwann nicht mehr zählt, dass das Kapital billigere Schiffbaustandorte ausmacht und einen endgültigen Strukturwandel in Wismar und ganz Europa erzwingt. Menschliche Größe stellt es allemal dar und vielleicht dämmert es auch Deutschlands Wirtschaftsbossen erneut, dass Wertarbeit mit dem Wert und der Würde des Arbeiters zusammen hängen.

 

Dieter Schumann

1953 in Ludwigslust geboren / 1983-1990 Regisseur für Fernseh- und Kinofilme im DEFA-Dokfilmstudio / seit 2002 als freier Autor, Regisseur und Produzent tätig

2008 wurde er mit dem Ludwig-Reinhard-Kulturpreis ausgezeichnet

Filme (Auswahl)

1988 flüstern & SCHREIEN / 1989 Leben auf der Fischerkoppel / 2003 Mit Laib und Seele

2004 Mecklenburg – So fern, so nah (84 min.) / 2005 - 2008 Mecklenburger Profile

2008 Die Frauen Gottes – Die letzten Diakonissen von Mecklenburg (55 min.)

 

(Fotos: alle Rechte Realfiction Filmverleih)

 

WADANS WELT – Preview mit Regisseur Dieter Schumann

Am Mittwoch, den 18. Mai  fand im Kino im Filmbüro in Anwesenheit von Regisseur Dieter Schumann und Co-Autor Professor Jürgen Wisotzki eine Preview statt zum bundesweiten Kinostart am 19.5. von WADANS WELT – Von der Würde der Arbeit. Der preisgekrönte Film über die Werftenkrise in Wismar und Warnemünde berührte die Zuschauer sehr und führte zu einer anregenden Diskussion nach dem Film.

 

Der Film ist im Kino im Filmbüro noch zu sehen am:

Freitag 27.05. um 19:30 Uhr
Samstag 28.05. um 19:30 Uhr